Fotosynthetische Malerei
Surrealismus in der Fotosynthetischen Malerei
„Maler der Zukunft müssen den Surrealismus überwinden“ hat der Begründer der surrealistischen Bewegung Andre Breton gesagt. Michael Münch erfindet seinen eigenen Surrealismus, indem er in seinen Bildern verschiedene Realitäten nebeneinander stellt, damit sich eine übergeordnete Realität – Surrealität – ergibt. Michael Münch möchte mit seinen Werken den Geist des Betrachters anregen, zum Nachdenken bewegen. Die Technik der Collage als Ideenträger ermöglicht spontan die Elemente, die einzeln betrachtet einander fremd sind, nebeneinander zu stellen und in eine neue Ordnung zu vereinen, in neue Beziehungen zu bringen und so einen Blick auf verborgene Dimensionen des Lebens zu öffnen.
In „Zeitzeugen“ (140x180cm Öl auf Leinwand 2016) sind Personen in verschiedenen Situationen zu sehen, man kann an mächtige Politiker oder hilflose Kinder, Gastfreundschaft oder Erotik, Luxus oder Krieg, Feierlichkeiten oder Wissenschaft denken. Aber sind das nicht wesentliche Bestandteile des Lebens? Jeder hat an verschiedenen Ereignissen Teil oder erfährt davon von denen, die es erlebt haben, doch werden die gleichen Situationen und Geschehnisse von verschiedenen Personen unterschiedlich empfunden, jeder hat seine eigenen Gefühle dazu und nimmt vielleicht etwas für bedeutsam, was einem anderen völlig entgeht. Jeder verbindet die Erlebnisse zur eigenen subjektiven Realität mit den eigenen Erfahrungen und Vorstellungen. Jeder ist ein Zeuge seiner Zeit, doch wessen Zeugnis ist das wahre?
Wie die Surrealisten, ist Michael Münch der Meinung, dass der Mensch außer seiner konventionellen Subjektivität auch an einer tieferen, unbewussten, übergeordneten, aber im Dunklen liegenden Surrealität Anteil haben kann. Dieses universelle Bewusstsein ist kontinuierlich anwesend und kann zur Grundlage der Inspiration werden. Dabei spielt der Traum, wo die Gesetze der Logik und Vernunft außer Kraft sind und Unvereinbares ganz selbstverständlich nebeneinander existiert, eine große Rolle. So wie im Traum oft die seltsamsten Situationen erscheinen, fügen sich nach längerem Betrachten die Motive in den fotosynthetischen Bildern zusammen, man findet Vertrautes oder Unerklärliches.
Obwohl die seltsamen „Raumschiffe“ in „Traumfabrik“ (125x160cm Öl auf Leinwand 2016) den Blick immer wieder in neue Richtungen zu lenken versuchen, schaut man immer wieder in große Frauenaugen, es scheint um das Weibliche im übergeordneten, fast mystischen Sinne zu gehen, die Frau als ein einfaches, vertrautes und unnahbares, unbegreifliches Wesen in einem. Mal ist sie ganz nah, spielt mit dem Kind oder lächelt unbeschwert, mal ist sie stolz wie eine Königin oder blickt entrückt in unendliche Weiten. Wer ist die rätselhafte Gestalt, die im Schatten bleibt?Wollen die Wissenschaftler und Psychologen das Wesen der Frau mit ihren Tests erklären oder kann man es besser in einer Kristallkugel erblicken?
Alle Motive in den fotosynthetischen Gemälden sind konkret, klar zu erkennen, doch sucht der Betrachter oft vergeblich nach einem gemeinsamen Thema, die Themen greifen ineinander, es ist wie im Leben alles miteinander verknüpft, nichts existiert rein für sich selbst. Michael Münch sieht seine Gemälde als Botschaften und fiktive Nachrichten, viele davon berühren solch ernsthafte Themen wie Politik, Wissenschaft, Ökologie oder Religion. Manchmal kann man sie als visionär bezeichnen – so entstand die Idee für „Ölhahn“ (100x120cm Öl auf Leinwand 2016) vor dem Machtwechsel in den USA und der Flüchtlingskrise in Europa. Dieses Bild könnte Verunsicherung zum Ausdruck bringen, die man empfindet, wenn man an die Welt mit den Glaubens- und Wirtschaftskriegen denkt. Man könnte über die zu Neige gehenden Ressourcen nachdenken und diejenige, die darüber bestimmen, oder auch über Menschen in zivilisierten Ländern, die ihren Luxus auf Kosten der Zukunft ausleben und die Flüchtlinge, die für einen Traum vom besseren Leben alles riskieren.
In „Reisefieber“ (120x140cm Öl auf Leinwand 2012) könnte man verschiedene Reisen sehen. Die Urlauber fahren über die Autobahn, um dann durch eine Stadt voller Sehenswürdigkeiten zu flanieren oder sich davor fotografieren zu lassen. Die Kinder sind startklar, um sich erwartungsvoll in das Abenteuer des Lebens zu stürzen. In ein Buch vertieft, verreist man in andere Welten, vielleicht auch bis zum Mond. Und ist der Steinzeitmensch nach einer Zeitreise in die moderne Welt geraten oder ist es ein Zeitgenosse, der mit der Zivilisation nicht fertig wird und sich wie ein Fremder vorkommt, der über das alles nur staunt?
Aber wie auch immer jeder Einzelne die Bilder sehen und verstehen mag, sie sind keine bewusst gesetzten Symbole, sondern sie sollen durch freie Assoziation überraschen, frei von Zensur der Vernunft eine bis dahin unbekannte Botschaft übermitteln, dem Betrachter das zweckfreie Spiel des Denkens ermöglichen.
Nadeshda Münch
2019
Symbolismus in der Fotosynthetischen Malerei
Wie die Symbolisten zur Zeit der industriellen Revolution Sehnsucht nach einer Welt der wesentlichen Bedeutung hatten, die Idee in sinnliche Form zu kleiden trachteten und mehr darstellen wollten, als nur das Reale, Greifbare und Sichtbare, möchte Michael Münch in der heutigen Zeit der digitalen Revolution der Welt etwas Schöngeist zurückgeben.
Symbolismus steht gegen das Reale, Profane und Vorgegebene, das von der Epoche bestimmt und begrenzt wird, es erschafft eine eigene, schönere Welt. Wesentliche Dinge lassen sich nicht ohne Weiteres benennen, sie brauchen Symbole, um darüber eine Vorstellung zu bilden.
So könnte man "Prachtopfer" (135x180cm Öl auf Leinwand 2012) als eine Allegorie auf Kultur als Zusammenfassung an Werten und Bedeutungen sehen, durch die sich die Menschen in der Welt orientieren. Es sind Anspielungen an Antike – sei es Rom, Ägypten oder Südamerika – weltliche oder kirchliche Macht vereint. Das majestätische Auftreten eines Tigers oder der stolze Gang eines Kamels brauchen keine glänzenden Utensilien wie die Könige. Die Blütenpracht erscheint verschwenderisch, hat aber in der Natur ihre feste Bestimmung. Der Mensch opfert vieles seiner Prunksucht. Vielleicht soll das auf die Dekadenz der modernen Gesellschaft hinweisen, die sich auf dem Höhepunkt der ökonomischen Möglichkeiten befindet, doch einem ökologischen Desaster entgegengeht.
Symbolistische Gemälde stellen auch für die Epoche stereotype, klischeehafte Sujets dar. So könnte man die im "Brandloch" (120x105cm Öl auf Leinwand 2010) zusammengesetzte Szene als Allegorie auf das Fehlen der geistigen Perspektive in der modernen Gesellschaft verstehen. Der Mann hat es sich mit seinem Cognacschwenker gemütlich gemacht, vielleicht schwelgt er gerade in schönen Erinnerungen an vergangene Zeiten, durch einen Brand verursachtes Unheil scheint ihn nicht zu interessieren. Das Mädchen ist jung und hübsch, kann aber mit seinem Leben scheinbar nichts anfangen. Ist sie so enttäuscht und desillusioniert in der grauen Stadt, wo sie glaubt, schon alles gesehen zu haben und nichts mehr reizvoll findet, dass ihr außer Partysucht nichts bleibt?
Und doch ist die Welt des Symbolismus trotz aller Melancholie vom leidenschaftlichen Idealismus geprägt. Die symbolistischen Maler ziehen es manchmal vor, die tatsächliche Situation zu ignorieren und eine unschuldige und liebenswerte Illusion darzustellen, die es in der realen Welt nicht gibt. Sie erschaffen ein eigenes Universum, das mit Gestalten der klassischen Mythologie und der modernen Legenden bevölkert ist. Im "Märchenjäger" (140x160cm Öl auf Leinwand 2013) sind Motive zusammengesetzt, die alle Arten von Sehnsucht und Romantik darstellen können. Da wäre für jeden Etwas, das das Herz und die Phantasie anspricht, das Schöne und Edle wachruft. Es ist eine Welt außerhalb des Alltäglichen, mit leuchtenden Farben und klaren Verhältnissen. Hat das digitale Netzwerk dem Menschen nicht fast alle Tätigkeiten abgenommen, die Anspruch, Fertigkeit und Geist erfordern, so dass wir davon träumen, sich wieder wie ein Kind an Blumen zu erfreuen oder ein Indianerabenteuer zu erleben? Sehnen wir uns nicht alle nach einfachen Regeln und eindeutigen Charakteren eines Märchens?
Nadeshda Münch
2019
Schon immer haben die Maler das dargestellt, was im Leben der Zeit wichtig und schön war. Der Barockmaler verewigte reife Früchte, volle Weingläser und Wild in seinen Stillleben, weil das zum damaligen Geschmack gehörte. Andy Warhol bildete Suppendosen und Cornflakesschachteln ab, um den Lebensstil seiner Zeit wiederzugeben. Der Hofmaler konterfeite seinen König oder illustrierte das Leben Jesu, weil das die wichtigsten Persönlichkeiten der damaligen Weltvorstellung waren. Andy Warhol druckte Portraits von Kino- und Musikstars, da die modernen Menschen sie für ihren Ideal nehmen.
Man ist heute gewohnt, beinahe ununterbrochen mit Informationen von überall, meistens in Form von Bildern, konfrontiert zu sein, vieles gleichzeitig zu sehen, ganz schnell erkennen, zuordnen und verarbeiten zu müssen, der heutige Mensch ist mit mehreren Kulturen, Religionen, Sprachen vertraut und übernimmt von ihnen Teile für seine Weltvorstellung.
Michael Münch strebt mit seinen Kunstwerken an, den Zeitgeist mit den zur Verfügung stehenden Mitteln glaubhaft zu reflektieren. Dabei wählt er für seine Gemälde Motive der populären Massenkultur mit hohem Wiedererkennungswert. So wie die kommerzielle Bildsprache das Erlebte zu Klischees standardisiert, sind die dargestellten Situationen sofort in bestimmte typische Muster zuzuordnen, die Personen sind anonym.
So ist es im „Glashaus“ (120x180cm Öl auf Leinwand 2010) – wir sehen in einem Gemälde Motive und Gesichter als Repräsentanten der Politik und Religion, Medien und Traditionen. Assoziationen von Macht und Ruhm sind mit banalen, alltäglichen Motiven vermischt.
Bekannte Gesichter, eindeutige Szenen oder triviale Motive, genau solche, die in den Magazinen oder Reklame vorkommen, wählt Michael Münch für seine Bilder, weil sie treffend und nachdrücklich die Einstellung dem Leben gegenüber in westlichen Gesellschaften symbolisieren.
Die Motive in „Muttertag“ (120x130cm Öl auf Leinwand 2009) erinnern an durch Werbung und Illustrierte suggerierte „heile Welt“, aber die schreiende Frau ist wohl mit all den Anforderungen solches Lebens überfordert – es kostet zu viel Kraft, Musterfrau zu sein.
Schon Andy Warhol hat für seine Kunst die Erkenntnis eingesetzt, dass die Fotografie und Film eine herausragende Rolle im Bewusstsein des modernen Menschen bei der Wahrnehmung der Realität spielen. Michael Münch benutzt auch die filmischen Mittel bei der Formgestaltung seiner Gemälde – Totale, Großaufnahme, Bildschnitt und fast fotorealistisch gemalte Motive erzeugen eine Realität für sich, der der Betrachter sich nicht entziehen kann. (Abb. „Sextherapie“ 140x120cm Öl auf Leinwand 2010)
Wie Pop Art, bedient sich die fotosynthetische Malerei der Medien und schreckt vor keiner Trivialität zurück, um den kollektiven Zeitgeist zu verkörpern. Die Medien zeigen, wie das Leben sein soll, regen uns direkt durch Werbung oder indirekt durch Filme oder Presseberichte zum Konsum an. Alles was man sieht, ist zum raschen Verbrauch bestimmt, die Gesellschaft spiegelt sich im Konsum und Werbung wieder.
Die Bildfläche in „Konsummoral“ (140x120cm Öl auf Leinwand 2016) ist in einzelne abgegrenzte Elemente unterteilt, doch werden sie durch die gemeinsame Hintergrundfarbe verbunden, was darauf hinweisen könnte, dass in der modernen Wohlstandsgesellschaft alles dem Konsum untergeordnet wird. Die Werte, die z.B. Religionen zu übermitteln versuchen, werden allzu schnell vergessen, wenn es um das eigene Vorteil geht, jeder will „sein Stück Kuchen“ haben und sich amüsieren. Es wird ununterbrochen konsumiert, selbst Haustiere werden zu Konsumenten. Lebensmittel, Kleidung, Unterhaltung oder Reise – alles soll sofort zur Stelle sein, man denkt nicht daran, woher das alles kommt und womit dafür bezahlt wird.
In dieser Zeit, in der die Gesellschaft den Lobpreisungen der Reklame erliegt und billige Gefühlssurrogate der Unterhaltungsindustrie akzeptiert, will Michael Münch in seiner Kunst die gleichen Mittel benutzen, um das Bewusstsein der Menschen für die Wirklichkeit, in der sie leben, zu schärfen, sie kritisch zu durchleuchten.
Stereotype, für Boulevardpresse charakteristische Motive dominieren in „Sittenalarm“ (140x105cm Öl auf Leinwand 2016). Wieder wird auf den schnellen Konsum angespielt. Die in für Pop Art charakteristischen fast aggressiv wirkenden starken Farben zugezogenen Hintergründe könnten darauf deuten, dass dieses konditionierte Verhalten keinen Tiefgang besitzt, dass es Wichtigeres im Leben gibt, was man nicht kaufen kann und worüber es sich nachzudenken lohnen würde, wenn man nicht so von Belanglosigkeiten abgelenkt wäre.
Die Anhäufung verschiedener Symbole auf einer Leinwand bricht die gewöhnliche Assoziationskette, lässt den Betrachter nachdenken, erzeugt den Effekt der Verfremdung. Alles scheint nicht das zu sein, was es sein sollte, die Produkte und Ideologien, die sich hinter den Symbolen verbergen, werden in Frage gestellt, nach ihrer Wirklichkeit geprüft.
In den Werbespots kommen oft die gleichen Motive vor: glückliche Menschen, schöne Landschaften oder lustige Tiere machen alle möglichen Waren begehrenswert. Oft weiß man bis zum letzten Moment nicht, wofür eigentlich geworben wird. So könnte man „Eisdiele“ (160x105cm Öl auf Leinwand 2010) als Loblied aufs Wohlbefinden sehen. Alle dargestellten Personen und Tiere sind auf verschiedene Weise zufrieden – zu Hause oder bei der Arbeit, mit schickem Schmuck oder gelungenen Urlaub, alle fühlen sich wohl in der vertrauten Umgebung oder machen sich das Leben schön, so wie in der Eisdiele jeder – ob klein oder groß – an einem Sommertag seine Portion Freude finden kann.
Nadeshda Münch
2009/2019
Genre in der Fotosynthetischen Malerei
Die Genremalerei war ein Zeugnis des Zeitgeschehens, die Maler bildeten zeitgenössische Verhaltensmuster und Szenen ab wie „Bürgerfamilie am Tisch“, „Fischer“ oder „Kartenspieler“. Als Momentaufnahme des Alltags würde die heutige Genremalerei wohl eher „Familie am Fernseher“ oder “Autofahrer im Stau“ darstellen.
Michael Münch lässt sich lieber von den alten Meistern inspirieren und setzt die Figuren aus ihren Gemälden in neue Zusammenhänge, der Betrachter kann die abgebildeten Motive zu neuen Assoziationsketten verknüpfen und eine eigene Geschichte entstehen lassen.
Fotosynthetische Malerei widmet sich den modernen Sujets. „Wutbremse“ (110x130cm Öl auf Leinwand 2015) stellt eine Szene in einer Massenversammlung dar. Die Menge schaut jubelnd einer Hinrichtung zu. Das Verhalten der Masse ist unberechenbar wie flatternde Schmetterlinge, die plötzlich da und wieder weg sind, die Stimmung ist veränderlich wie Fähnchen im Wind. Es braucht sich nur einer zu finden, der den Weg weist, und schon folgen viele.
Genremalerei bildete manchmal menschliches Fehlverhalten ab, um es der Lächerlichkeit preiszugeben. „Bierlaune“ (120x140cm Öl auf Leinwand 2013) könnte uns die Geschichte einer Frau erzählen, die mit den Folgen ihres Urlaubsabenteuers konfrontiert ist. Die Mutter wendet sich vom Kind ab, obwohl die beiden Personen daneben wohlwollendes Interesse zeigen. Vielleicht sehnt sich die Frau nach ihrem Abenteuer im fernen Land und dem „Wilden“, den sie dort kennen gelernt hatte, möchte nicht dem Alltag der Kindererziehung verfallen. Oder war es nur eine kurze Laune und die Frau schämt sich, kann es aber nicht mehr rückgängig machen? Die Person im Vordergrund, vielleicht ist sie eine Angestellte im Touristenhotel, macht sich darüber lustig. Anscheinend kennt sie viele solche Urlaubsgeschichten, selbst unbeteiligt, spottet sie darüber.
Manche Genrebilder haben tiefere moralische Aussagen, die auf den ersten Blick vielleicht nicht zu erkennen sind.
Die romantische Szene im „Weltfrieden“ (120x180cm Öl auf Leinwand 2015) hat allegorischen Charakter, die Figuren stellen symbolisch die Menschen verschiedener Rassen und Kulturen dar. Es ist ein Traum von einer Welt ohne Krieg und Rassismus, wo niemand einen anderen hasst oder bekämpft nur weil er anders ist.
Michael Münch benutzt die fotosynthetische Methode, um neue Genrebilder zu kreieren und verarbeitet die Gemälde der Altmeister, um zu zeigen, dass die Menschen im Wesentlichen gleich geblieben sind wie vor Hunderten von Jahren. Dabei erscheinen traditionell eindeutige Motive wie Madonna in einem neuen Zusammenhang und können andere Bedeutungen bekommen. (Abb. „Jugendamt“ 120x135cm Öl auf Leinwand 2013)
Nadeshda Münch
2019
Über Fotosynthetische Malerei
Der Begriff „Kunst“ beinhaltet Können und Künden und ein Künstler wählt eine Technik, die ihm ermöglicht das zu künden was er sich vorstellt, und den anderen Menschen seine Gedanken und Anschauungen zu übermitteln.
Während des Studiums an der Fachhochschule Köln entwickelte Michael Münch einen eigenen Malstil, eine poetische Variante des Surrealismus, den er Fotosynthetische Malerei nennt.
Schon in der Zeit des Dadaismus entwickelte Technik der Collage entspricht am besten der künstlerischen Absicht von Michael Münch. Dabei glaubt der Maler an das „Raub-Genie“, das, F.Nietzsche zitierend, „...entsteht, wenn jemand unbedenklich von jung an alles Gute, … als freie Beute betrachtet. Nun liegt alles Gute vergangener Zeiten und Meister frei umher, eingehegt und behütet durch die verehrende Scheu der Wenigen, die es erkennen: diesen wenigen bietet jenes Genie … Trotz und häuft sich einen Reichtum auf, der selber wieder Verehrung und Scheu erzeugt.“ (Abb. "Zeitvertrag" 54x72cm Öl auf Leinwand 2004)
Denn für seine Collagen verwendet Michael Münch Motive aus allen möglichen Quellen – Büchern, Illustrierten, Zeitungen, Postern, eigenen Fotos, etc. - Quellen, die uns jeden Tag neue Bilder und Eindrücke liefern – ohne Zusammenhang, schnell abwechselnd, neu, interessant und gleich wieder vergessen. Darüber sagt der Künstler selbst: „Das für die Fotosynthetische Malerei notwendige Vorlagenmaterial bildet die Voraussetzungen für die durch spontane Inspiration entstehenden Bildideen (Collagen), welche das Mittel sind, bildsprachliche Informationen über mein persönliches Unterbewusstes und über ein allgemeines Unterbewusstes in der Fotosynthetischen Malerei zu manifestieren, zum Zwecke persönlicher oder allgemeiner Wahrheitsfindung.“
Das schon von Surrealisten angewandte Verfahren des psychischen Automatismus ruft das Unterbewusste hervor, hilft dem Künstler sein eigenes Leben zu reflektieren und sich zu definieren. Dabei werden neue Bildinhalte gewonnen oder bekannte Themen auf eine andere, zeitgemäße Weise dargestellt.
Der Begriff „Fotosynthetische Malerei“ kommt von Foto (Bild) und Synthese (Verknüpfung zu einer Einheit).
An dieser Stelle muss man auf die Ähnlichkeit des Begriffs der Fotosynthese aus der Pflanzenwelt mit der fotosynthetischen Malerei hinweisen. Bei der Fotosynthese der Pflanzen handelt es sich um den Aufbau chemischer Elemente unter Einwirkung von Licht, was zum Wachstum der Pflanze führt. Bei der Fotosynthetischen Malerei ist das vorhandene Bildmaterial aller Art vergleichbar mit den in der Pflanze vorhandenen chemischen Bauteilen. Die geistesgegenwärtige Handlungsweise durch spontane Inspiration (Manipulation des Bildmaterials), woraus neue Bildinhalte (Collagen) entstehen, ist ähnlich dem Sonnenlicht, das den Verknüpfungsprozess veranlasst.
Die im fotosynthetischen Verfahren entstandenen Collagen sind kein Selbstzweck und werden von Anfang an als bearbeitungsbedürftig gesehen. Eine Collage an sich genügt dem Maler als Kunstwerk nicht, weil sie oft den ästhetischen Voraussetzungen eines Gemäldes (Kompositionsgesetze, Proportionen, Farbgebung...) nicht entspricht. So werden die Collagen durch Zeichnung und im darauf folgenden Malakt diesbezüglich verbessert. Michael Münch arbeitet in Öl auf Leinwand in realistischer Manier, so dass die dargestellten Objekte unbedingt als solche in dem gegebenen Zusammenhang erkennbar sind und der Betrachter mit dieser neuen Realität konfrontiert wird.
„Die Rätsel, die das Leben aufgibt“, die schon Giorgio de Chirico faszinierten, versucht auch Michael Münch in seinen Werken festzuhalten. Die Poesie, die den einfachen Sachen und Situationen inne lebt wird durch die Bilder dem Betrachter nahe gebracht, man sollte für einen Moment stehen bleiben und nachdenken – über sich selbst und die Anderen, über das Leben. So wie de Chirico betrachtet Michael Münch jedes Ding, auch den Menschen, als Sache. Solche Entfremdung weist auf die Wirklichkeit des Objekts im Kontext. Auch Rene Magritte strebte in seinem Denksystem die befreiende Enthüllung an – Befreiung von geistigen Gewohnheiten, die uns von der Außenwelt aufgezwungen werden.
Giorgio de Chirico und Rene Magritte sieht Michael Münch als seine geistigen Väter, noch einen Aphorismus von F.Nietzsche „Drei Denker gleich einer Spinne“ zitierend - „... der erste erzeugt aus sich den Saft und Samen, der zweite zieht ihn zu Fäden aus und spinnt ein künstliches Netz, der dritte lauert in diesem Netz … und versucht, von der Philosophie zu leben.“
Genauso wie de Chirico und Magritte stellt Michael Münch meistens „vertraute Gegenstände“ dar – in seinem Bildvokabular sind Gesichter, Planeten, Palmen, Rosen... - alles gewöhnliche und bekannte Sachen – nur treten sie miteinander in neue Beziehungen, es entsteht eine offene Struktur – offen für Rätsel und Poesie. (Abb. "Inselbewusstsein" 65x74cm Öl auf Leinwand 2004)
Fotosynthetische Malerei versucht, die Grenzen zwischen der gegenständlichen und abstrakten Malerei aufzulösen, da der Künstler die für ein Gemälde ausgewählten Motive wie abstrakte Elemente behandelt. In das lineare Bildgerüst werden Bildabschnitte, die konkrete Dinge darstellen, nach Gesetzen gegenstandsloser Bildkonstruktion statt geometrischer Figuren oder Farbflächen (wie z.B. bei H.Arp „Horizontal-vertikale Komposition“) eingesetzt. Die einzelnen Elemente werden durch Farbharmonie zusammengehalten, aber oft kann man nicht bestimmen, welches der Motive die Hauptsache des Gemäldes ist, was den Assoziationen die größte Freiheit lässt. (Abb. "Skandalmenü" 120x160 Öl auf Leinwand 2009)
In seinen Gemälden lässt Michael Münch oft von der klassischen Zentralperspektive ab - in der Mitte seiner Bilder ist oft „Nichts“. Das lässt den Blick frei über die Leinwand wandern und irgendwann schließt sich der Kreis und die vom Bild erzählte Geschichte erscheint aus dem „Nichts“.
So ist es bei „Dimensionenstreik“(100x120cm Öl auf Leinwand 2008). Da steht links ein kleines Mädchen und schaut empor, in den Himmel – ins Nichts. Im Hintergrund ein gewaltiger Brand, den die kleinen, ganz am Bildrand umher stehenden Menschen nicht mehr unter Kontrolle haben. Und von rechts schaut eine an eine griechische Göttin erinnernde Figur auf das Schauspiel nieder. Ist das das letzte Erdöl, das da verbrennt und mit ihm unsere Zivilisation? Ist das die leere kalte Erde, die die Menschen zugrunde gerichtet haben, die da oben schwebt? Das Mädchen sucht nach Hilfe, sie selbst kann ja nichts tun – ihr fehlen die Hände dafür. Aber die Göttin hilft nicht – sie scheint sich für die Menschen nicht besonders zu interessieren, sie ist selbst ziemlich angeschlagen. Die Figur ist unvollständig und man kann durch sie hindurch auf eine weite leere Fläche mit einem erhellten Horizont schauen – wieder ins Nichts. Und oben im „Himmel“ des Bildes hinter dem „Himmel“ mit dem Brand – ein geflügelter Fisch aus Stein – ein Sinnbild für Träume und Schlösser aus Wolken auf Sand, die über das Ganze vielleicht noch nicht zusammenbrechen?
Michael Münch vertritt die Meinung, dass ein Gemälde nicht nur als Selbstzweck Kunstwerk ist, sondern auch ein Dekorationsgegenstand für einen Raum. Daher seine Bestrebung nach Ästhetik sowohl bei der Wahl der Motive, als auch bei der Farbgebung, für die viele reine und leuchtende Töne charakteristisch sind. Denn nur wenn das ästhetische Empfinden des Betrachters erweckt ist, kann er über ein Gemälde nachdenken und davon fasziniert werden, wenn auch zuerst von den schönen Farben und erst dann von dem Dargestellten zu eigenen Gedanken kommen.
Andererseits versucht Michael Münch die Herkunft seiner Bilder von einer Collage nicht zu vertuschen. Im Gegensatz lässt er bewusst die Schnittkanten und fremdartige Hintergründe auf seinen Gemälden sichtbar, was den schnellen und ruckartigen Wechsel der Bilder und Situationen im Leben veranschaulicht. Der heutige Mensch soll sich in verschiedenen Situationen und an verschiedenen Orten völlig verschieden verhalten – zu Hause, im Job, auf der Straße soll man die von der Gesellschaft vorgegebene Rollen spielen, die oft zueinander im Widerspruch stehen. Sie sind wie einzelne Bilder, die auf einer Leinwand nebeneinander alle gleichzeitig zu sehen sind – und zusammen gebracht werden müssen.
Die Aufteilung des Gemäldes in voneinander abgegrenzte Einzelbilder treffen wir oft bei den Altären. Doch erzählt ein Altarbild nur eine bestimmte, vorgegebene Geschichte in ihren nacheinander folgenden Szenen nach, man soll sich dabei an eine bekannte Geschichte erinnern. Dagegen ruft ein fotosynthetisches Gemälde eine neue, nirgends festgehaltene, persönliche Geschichte des Künstlers und gleichzeitig eine Geschichte des jeweiligen Betrachters hervor. In einem fotosynthetischen Gemälde treten verschiedene Genres nebeneinander auf, was den Assoziationen freien Lauf lässt.
Die Auswahl der Motive und ihre Zusammensetzung zur Collage und einem Ölgemälde sind oft von privaten Erlebnissen und persönlichen Empfindungen des Künstlers bestimmt, jedoch können die Bilder auch bei den anderen Menschen ähnliche oder sogar gleiche Assoziationen hervorrufen. Der Betrachter vergleicht das Dargestellte mit seiner eigenen Denkweise, überprüft es – so wird das Subjektive zum Allgemeingültigen. Die Kunst ist menschennah, obwohl der Künstler sich dadurch selbst reflektiert.
So in „Baukasten“ (120x160cm Öl auf Leinwand 2009). Hier sehen wir einen Menschen von verschiedenen Perspektiven – ein Kind und ein Erwachsener, allein, im engen Kreis und in der Gesellschaft. Jedes einzelne Bild ist durch einen Rahmen abgegrenzt, jedoch verbindet die Farbgebung die Motive, so wie das Innenleben des Menschen ihn in allen Situationen bestimmt. Der Mensch wird im Leben mit vielen Sachen konfrontiert und davon beeinflusst – Natur und vom Menschen geschaffenes, Kunst und Religion, Medien und Gesellschaft – sie alle umgeben das kleine Kind (das Portrait des Künstlers), das für alles offen und empfänglich ist – und erst später sich darüber ein eigenes Bild machen wird – so wie Michael Münch dieses. Man kann beim Betrachten des Gemäldes über vieles nachdenken – über Schönheit der Natur – die unberührte Landschaft entführt in Traumwelten, wo auch freie Vögel zu Hause sind. Aber auch Schönheit der Kunst oder Schönheit der Zusammengehörigkeit mit anderen Menschen , die eine gemeinsame Idee verbindet. Und Trauer und Tod gehören auch zum Leben – hier durch Grablegung Christi dargestellt – jedoch ist der Tod nicht das Ende – die Idee, der der Mensch sein Leben gewidmet hat, lebt weiter.
Im Brockhaus-Lexikon lesen wir: „...für das Verständnis und die Deutung eines Zeitalters ist die Kunst aufschlussreich, da sein Gestaltungswille in ihr ungebrochen zum Ausdruck kommt und geistige Wandlungen sich in der Kunst oft am frühesten ankündigen.“ (Abb. "Szenenwechsel" 74x80cm Öl auf Leinwand 2006)
Michael Münch betrachtet die Gegenwart als ein Medienzeitalter, wo Menschen durch Reklame zu konsumfreudigen Verbrauchern manipuliert werden, die ihre Lebensweise auf Kosten der Natur und ungeachtet der Folgen fortsetzen sollen. Diese Kulturarbeitet mit Wort und Bild, also nutzt Michael Münch ihre eigenen Mittel, um der Medienkultur einen Spiegel vorzuhalten. Die Bilderflut, die dem heutigen Menschen von den Bildschirmen, Reklameschildern, Seiten der Illustrierten entgegen strömt, ist so stark, dass man die ganze darin enthaltene Information unmöglich verarbeiten kann und unbewusst manipuliert wird. Michael Münch nimmt die gleichen Bilder, verknüpft sie aber auf eine andere Weise zur festen Einheit, einem statischen Bild, worüber der Betrachter sich in aller Ruhe seine Gedanken machen und eine Geschichte ausdenken kann. Dadurch wird dem Menschen die ihn umgebende Welt bewusst gemacht, er fängt an, sie zu reflektieren und zu hinterfragen. Oft wird das Unterbewusste, das den Menschen bewegt, ans Licht gebracht, objektiviert.
Die Motive, die in „Gesetzlücke“ (135x105cm Öl auf Leinwand 2009) zusammengefügt sind, erinnern an das Umschalten von Fernsehsendern – Sujets, Landschaften, Tiere, Menschen wechseln ohne Zusammenhang. Michael Münch wählt oft besonders markante, schon einzeln genommen plakativ, sogar aufdringlich wirkende Motive, um seine Absicht noch deutlicher zu machen. So starren im Bild die weit aufgerissenen erschrockenen Augen den Betrachter an – ist es ein Alptraum? Aber da liegt doch am Strand einer idyllischen Bucht ein friedlich schlummerndes Pärchen – ist alles in Ordnung? Die Wechselwirkung von Tier und Mensch wirft weitere Fragen auf. Die Giraffe ist von Natur aus groß – de Mann kommt sich auch sehr groß und bedeutend in seiner großen Stadt vor – ist er das wirklich? Die Aggressivität des Sauriers ist ihm nicht wegzudenken – die als Domina angetane Frau mit Ketten und Lederkluft will auch so wirken – warum? Ist der kleine Affe, der so neugierig blickt der Betrachter selbst oder ein Sinnbild des satirischen Gelächters über das Menschenleben? Der Titel „Gesetzlücke“ unterstreicht das Problem – die Gesetze der Natur sind präsent, die menschlichen Gesetze sind gemacht und unvollkommen – und die Lücke – sie ist zwischen dem Menschen und der Natur – vielleicht hat der Mensch sie selbst geschaffen, so kann er sie auch schließen, wenn er mit der Natur zusammen lebt, denn die Tiere sind im Bild, wie auch in der Natur dem Menschen nicht untergeordnet – sie sind genauso wichtig und bedeutend.
Symbolische Gemälde 1987-1991
Wir lesen seine Bilderrätsel als Symbole unserer Lebensfragen. Michael Münch will Inhalte, Lebensstrukturen, Lebensgesetzmäßigkeiten darstellen – bewusst in zunächst verschlüsselter Form, um keine platten Thesen, keine Binsenweisheiten zu zeigen, sondern um sichtbare und unsichtbare Realitäten zu zeigen und zu entdecken.
Wir sind es, die entdecken und weiter denken, wir kehren die subjektive Position des Malers in unsere eigene um und überprüfen dabei die Stimmigkeit, indem wir das, was wir sehen, mit unserer Sicht der Wirklichkeit vergleichen. (Abb. „Durchblick“ 150x90cm Öl auf Leinwand 1991)
Es sind ganz einfache Dinge, die Michael Münch malt. Durch ihre intuitive und bewusste Konstellation im Malakt gewinnen die Gegenstände der Komposition plötzlich eine Bildidee, die zunächst gar nicht da war; Proportionen – z.B. Übergröße – und Farbbezüge provozieren im Betrachter auf einmal ein Thema, lösen eine Erzählung des Bildes im Betrachter aus.
Warum? Weil die Dinge und ihre Relationen untereinander als Symbole fassbar werden. Das Subjektive, das Unbewusste wird objektiviert in symbolische Formen, die in uns Erzählungen dessen auslösen, was hinter den Dingen liegt.
Formaler gesehen, sind die künstlerischen Themen diese: die Dinge unter sich, miteinander, gegeneinander: im Raum, in der Fläche, in Farbrelationen. Es sind Collagen von Wirklichkeit in surrealistischer Manier.
Michael Münch steht in der Tradition von Magritte, De Chirico und Max Ernst – im nur diese zu nennen – findet aber im einer Reihe von Bildern einen eigenen Stil.
Techniken, die seit dem Dadaismus benutzt werden, findet er tragfähig, weil die Entfremdung des einzelnen Dings umso intensiver auf seine Wirklichkeit und den Kontexte der ganzen Wirklichkeit hinweist, so ja auch schon in der Konsum-Dingwelt der Pop-Art, - denn: das Ganze der Welt, die ganze Wirklichkeit ist in ihrer heutigen Vielfalt und Verschleierung ohne Symbole nicht mehr malbar – ja, die gemalte Welt der religiösen Geschlossenheit war nie das ganze, immer nur die geglaubte Welt eines Einzelnen, einer Lehre. Die philosophischen Ding-Landschaften von Michael Münch eröffnen aber den Weg vom Teil zu Ganzheitsaspekten. (Abb. „Philosophie“ 130x95 Öl auf Leinwand 1991)
Ulrich Bergmann
Lyriker
Manifest
zur Entwicklung der Fotosynthetischen Malerei
Definition der künstlerischen Absicht
Um meine persönliche Anschauung von einem kreativ arbeitenden Menschen zu verdeutlichen, ist es nicht erforderlich, um jeden Preis Bilder zu malen, sondern eigene Wirklichkeit, bewusster und unbewusster Art auszudrücken, in dem Metier, in dessen Handhabe man sich am besten versteht.
Der Versuch, das Unterbewusstsein bewusst in den Entstehungsprozess mit einzubeziehen, steht meiner künstlerischen Intention voran und endet in dem Versuch, die Rätsel die mir das Leben aufgibt, zu illustrieren. (Abb. „Seelenspiegel“ 65x104cm Öl auf Leinwand 1988)
Techniken:
Objektinszenierung
Ich stelle Objekte zusammen, die mir durchunterschiedliche Begebenheiten zugekommen sind. Meine Auswahl dieserObjekte lässt sich nicht als bloße Willkürbezeichnen, sondern liegt in der Faszination, die diese auf michausüben. Faszination entweder durch das Objekt selbst, oderdurch die Konstellation mit der Begebenheit, durch welche es mir zukam.
Ein dienliches Werkzeug für die weitere Behandlungdieser Objekte ist ein Glaskastenregal, welches teilweise mitSpiegeln ausgestattet ist. In ihm werden die Objekte zu einzelnenInszenierungen von mir zusammengestellt. Jede dieserObjektinszenierungen wird solange durch hinweg nehmen oder hinzufügenvon Objekten überprüft, bis sie sich für mich alsBildidee bestätigt.
Collage per se
Wegen des oft sehr lange andauernden Arbeitsprozesses in der Technik der Objektinszenierung habe ich zu einer anderen Möglichkeit im Sinne meiner Intention, Bilder herzustellen, gegriffen. Bei dieser Möglichkeit handelt es sich um das Gestalten von Collagen aus unterschiedlichen Materialien. Die Collage bietet mir eine Erweiterung meiner Ausdrucksmöglichkeiten in mehrfacher Hinsicht. Einerseits erlaubt sie ein direktes Umsetzen der durch das zweckfreie Spiel des Denkens entstandenen Bildidee, andererseits macht die Collage, bedingt durch das Vorlagenmaterial, möglich, spontan zu gestalten im Hinblick auf den aktuellen Zeitgeist. (Abb. „Wintergarten“ 70x58cm Material-Collage 1991)
Die Art des Ausdrucks, die den Collagen zu eigen ist, wirkt auf mich in ähnlicher Weise rätselhaft und dadurch gleichzeitig faszinierend, wie die durch Objektinszenierung entstandene Art des Ausdrucks in den Gemälden. Die Ursache liegt für mich darin, dass in den Collagen verschiedene Sachverhalte zu einer Konstellation zusammengefügt werden, die dadurch einen für mich rätselhaften und zugleich erzählerischen Charakter erhält, vergleichbar mit dem Charakter der Objektkonstellationen.
Collage als Vorlage
Obwohl Collagentechnik im Prinzip mein Konzept bestätigt und meiner Intention gerecht wird, zeigen einige Collagen, bedingt durch das Vorlagenmaterial, Schwächen in ihren Proportionen. Um die Potentialität dieser durch Collagen entstandenen Bildideen zu steigern, werden diese Bildideen in das Metier der Malerei übertragen. (Abb. „Totentanz“ 90x180cm Öl auf Leinwand 1993)
Malerei und Collage
Eine weitere Form der Bildherstellung im Sinne meiner Intention liegt im collagieren von Malerei, die ihrerseits aus schon erwähnten Methoden entstanden ist, mit Ausnahme von Gemälden, denen Modelle zugrunde liegen, welche jedoch in der Art ihres Auftretens von mir inszeniert wurden.
Die Notwendigkeit, einige dieser Gemälde teilweise zu Collagen umzugestalten, ergab sich für mich durch den Willen zur Provokation im Sinne einer bewussten Verfremdung und dem Drang, additiv, zusammenhangbildend und direkt auf das Vorhandene einzuwirken. (Abb. „Freidenker“ 105x85cm Öl und Collage auf Leinwand 1990)
Schlusswort
Der Traum bildet Erlebnisse des Unbewusstseins, die sich mit den Erlebnissen des Wachzustandes zu einem individuellen Dasein vereinen. Das Bewusstsein um diesen Zustand ermöglicht auf das eigene Ich bezogene, daseinsbedingte Wirklichkeit bzw. Wahrheit in Bildsprache zu manifestieren. Die thematische Bestimmung, welche durch die Titel der Bilder zum Ausdruck kommt, dient nicht der Auflösung des Rätselhaften, von dem gesprochen wurde, sondern der Differenzierung der verschiedenen Objektinszenierungen oder Collagen.
Im Übrigen, lehne ich es ab, mich interpretierend über meine Bildwerke zu äußern, da von mir eine möglichst autonome Bildsprache angestrebt wird.
Michael Münch
1992
Laudatio der Fachhochschule Köln
Michael Münch studierte an der Fachhochschule Köln, Fachbereich Kunst, Freie Malerei.
Vom 1.9.1983 bis 1.9.1987 studierte er im Grundlagenbereich bei Prof. Alfred Strack und Ludolf Lenders. Später studierte er in den Malklassen von Prof. Marx und Prof. Schrievers. „Aktzeichen“ studierte er bei Prof. Koller.
Vom Wintersemester 1987/88 studierte Michael Münch in meiner Malklasse. Seine hohe künstlerische Begabung, die für ihn in jeder Hinsicht Antrieb ist, hat ihn befähigt, immer wieder ganz unbefangen zu experimentieren und seine Sicht der Dinge „bildnerisch zu artikulieren“.
Er erarbeitete sich eine poetische Variante des dem „Surrealismus“ an verwandten Stils.
Seine Bilder, die einen hohen – im positiven Sinn – dekorativen Wert haben, sind stark farbig, aber auch von einer differenzierten Farbkultur geprägt.
Michael Münch hat seine Arbeit häufig erfolgreich in der Öffentlichkeit zeigen können.
Er studierte bis zum Ende des Fachbereichs „Freie Kunst“ an der Fachhochschule Köln, dem 28.02.93, in meiner Klasse.
Professor Dieter Kraemer