Michael Münch
Fotosynthetische Malerei
"Pop Art in der Fotosynthetischen Malerei"
Schon immer haben die Maler das dargestellt, was im Leben der Zeit wichtig und schön war. Der Barockmaler verewigte reife Früchte, volle Weingläser und Wild in seinen Stillleben, weil das zum damaligen Geschmack gehörte. Andy Warhol bildete Suppendosen und Cornflakesschachteln ab, um den Lebensstil seiner Zeit wiederzugeben. Der Hofmaler konterfeite seinen König oder illustrierte das Leben Jesu, weil das die wichtigsten Persönlichkeiten der damaligen Weltvorstellung waren. Andy Warhol druckte Portraits von Kino- und Musikstars, da die modernen Menschen sie für ihren Ideal nehmen.
Man ist heute gewohnt, beinahe ununterbrochen mit Informationen von überall, meistens in Form von Bildern, konfrontiert zu sein, vieles gleichzeitig zu sehen, ganz schnell erkennen, zuordnen und verarbeiten zu müssen, der heutige Mensch ist mit mehreren Kulturen, Religionen, Sprachen vertraut und übernimmt von ihnen Teile für seine Weltvorstellung.
Michael Münch strebt mit seinen Kunstwerken an, den Zeitgeist mit den zur Verfügung stehenden Mitteln glaubhaft zu reflektieren. Dabei wählt er für seine Gemälde Motive der populären Massenkultur mit hohem Wiedererkennungswert. So wie die kommerzielle Bildsprache das Erlebte zu Klischees standardisiert, sind die dargestellten Situationen sofort in bestimmte typische Muster zuzuordnen, die Personen sind anonym.
So ist es im „Glashaus“ (120x180cm Öl auf Leinwand 2010) – wir sehen in einem Gemälde Motive und Gesichter als Repräsentanten der Politik und Religion, Medien und Traditionen. Assoziationen von Macht und Ruhm sind mit banalen, alltäglichen Motiven vermischt.
Bekannte Gesichter, eindeutige Szenen oder triviale Motive, genau solche, die in den Magazinen oder Reklame vorkommen, wählt Michael Münch für seine Bilder, weil sie treffend und nachdrücklich die Einstellung dem Leben gegenüber in westlichen Gesellschaften symbolisieren.
Die Motive in „Muttertag“ (120x130cm Öl auf Leinwand 2009) erinnern an durch Werbung und Illustrierte suggerierte „heile Welt“, aber die schreiende Frau ist wohl mit all den Anforderungen solches Lebens überfordert – es kostet zu viel Kraft, Musterfrau zu sein.
Schon Andy Warhol hat für seine Kunst die Erkenntnis eingesetzt, dass die Fotografie und Film eine herausragende Rolle im Bewusstsein des modernen Menschen bei der Wahrnehmung der Realität spielen. Michael Münch benutzt auch die filmischen Mittel bei der Formgestaltung seiner Gemälde – Totale, Großaufnahme, Bildschnitt und fast fotorealistisch gemalte Motive erzeugen eine Realität für sich, der der Betrachter sich nicht entziehen kann. (Abb. „Sextherapie“ 140x120cm Öl auf Leinwand 2010)
Wie Pop Art, bedient sich die fotosynthetische Malerei der Medien und schreckt vor keiner Trivialität zurück, um den kollektiven Zeitgeist zu verkörpern. Die Medien zeigen, wie das Leben sein soll, regen uns direkt durch Werbung oder indirekt durch Filme oder Presseberichte zum Konsum an. Alles was man sieht, ist zum raschen Verbrauch bestimmt, die Gesellschaft spiegelt sich im Konsum und Werbung wieder.
Die Bildfläche in „Konsummoral“ (140x120cm Öl auf Leinwand 2016) ist in einzelne abgegrenzte Elemente unterteilt, doch werden sie durch die gemeinsame Hintergrundfarbe verbunden, was darauf hinweisen könnte, dass in der modernen Wohlstandsgesellschaft alles dem Konsum untergeordnet wird. Die Werte, die z.B. Religionen zu übermitteln versuchen, werden allzu schnell vergessen, wenn es um das eigene Vorteil geht, jeder will „sein Stück Kuchen“ haben und sich amüsieren. Es wird ununterbrochen konsumiert, selbst Haustiere werden zu Konsumenten. Lebensmittel, Kleidung, Unterhaltung oder Reise – alles soll sofort zur Stelle sein, man denkt nicht daran, woher das alles kommt und womit dafür bezahlt wird.
In dieser Zeit, in der die Gesellschaft den Lobpreisungen der Reklame erliegt und billige Gefühlssurrogate der Unterhaltungsindustrie akzeptiert, will Michael Münch in seiner Kunst die gleichen Mittel benutzen, um das Bewusstsein der Menschen für die Wirklichkeit, in der sie leben, zu schärfen, sie kritisch zu durchleuchten.
Stereotype, für Boulevardpresse charakteristische Motive dominieren in „Sittenalarm“ (140x105cm Öl auf Leinwand 2016). Wieder wird auf den schnellen Konsum angespielt. Die in für Pop Art charakteristischen fast aggressiv wirkenden starken Farben zugezogenen Hintergründe könnten darauf deuten, dass dieses konditionierte Verhalten keinen Tiefgang besitzt, dass es Wichtigeres im Leben gibt, was man nicht kaufen kann und worüber es sich nachzudenken lohnen würde, wenn man nicht so von Belanglosigkeiten abgelenkt wäre.
Die Anhäufung verschiedener Symbole auf einer Leinwand bricht die gewöhnliche Assoziationskette, lässt den Betrachter nachdenken, erzeugt den Effekt der Verfremdung. Alles scheint nicht das zu sein, was es sein sollte, die Produkte und Ideologien, die sich hinter den Symbolen verbergen, werden in Frage gestellt, nach ihrer Wirklichkeit geprüft.
In den Werbespots kommen oft die gleichen Motive vor: glückliche Menschen, schöne Landschaften oder lustige Tiere machen alle möglichen Waren begehrenswert. Oft weiß man bis zum letzten Moment nicht, wofür eigentlich geworben wird. So könnte man „Eisdiele“ (160x105cm Öl auf Leinwand 2010) als Loblied aufs Wohlbefinden sehen. Alle dargestellten Personen und Tiere sind auf verschiedene Weise zufrieden – zu Hause oder bei der Arbeit, mit schickem Schmuck oder gelungenen Urlaub, alle fühlen sich wohl in der vertrauten Umgebung oder machen sich das Leben schön, so wie in der Eisdiele jeder – ob klein oder groß – an einem Sommertag seine Portion Freude finden kann.
Nadeshda Münch
2009/2019