Fotosynthetische Malerei
"Surrealismus in der Fotosynthetischen Malerei"
Surrealismus in der Fotosynthetischen Malerei
„Maler der Zukunft müssen den Surrealismus überwinden“ hat der Begründer der surrealistischen Bewegung Andre Breton gesagt. Michael Münch erfindet seinen eigenen Surrealismus, indem er in seinen Bildern verschiedene Realitäten nebeneinander stellt, damit sich eine übergeordnete Realität – Surrealität – ergibt. Michael Münch möchte mit seinen Werken den Geist des Betrachters anregen, zum Nachdenken bewegen. Die Technik der Collage als Ideenträger ermöglicht spontan die Elemente, die einzeln betrachtet einander fremd sind, nebeneinander zu stellen und in eine neue Ordnung zu vereinen, in neue Beziehungen zu bringen und so einen Blick auf verborgene Dimensionen des Lebens zu öffnen.
In „Zeitzeugen“ (140x180cm Öl auf Leinwand 2016) sind Personen in verschiedenen Situationen zu sehen, man kann an mächtige Politiker oder hilflose Kinder, Gastfreundschaft oder Erotik, Luxus oder Krieg, Feierlichkeiten oder Wissenschaft denken. Aber sind das nicht wesentliche Bestandteile des Lebens? Jeder hat an verschiedenen Ereignissen Teil oder erfährt davon von denen, die es erlebt haben, doch werden die gleichen Situationen und Geschehnisse von verschiedenen Personen unterschiedlich empfunden, jeder hat seine eigenen Gefühle dazu und nimmt vielleicht etwas für bedeutsam, was einem anderen völlig entgeht. Jeder verbindet die Erlebnisse zur eigenen subjektiven Realität mit den eigenen Erfahrungen und Vorstellungen. Jeder ist ein Zeuge seiner Zeit, doch wessen Zeugnis ist das wahre?
Wie die Surrealisten, ist Michael Münch der Meinung, dass der Mensch außer seiner konventionellen Subjektivität auch an einer tieferen, unbewussten, übergeordneten, aber im Dunklen liegenden Surrealität Anteil haben kann. Dieses universelle Bewusstsein ist kontinuierlich anwesend und kann zur Grundlage der Inspiration werden. Dabei spielt der Traum, wo die Gesetze der Logik und Vernunft außer Kraft sind und Unvereinbares ganz selbstverständlich nebeneinander existiert, eine große Rolle. So wie im Traum oft die seltsamsten Situationen erscheinen, fügen sich nach längerem Betrachten die Motive in den fotosynthetischen Bildern zusammen, man findet Vertrautes oder Unerklärliches.
Obwohl die seltsamen „Raumschiffe“ in „Traumfabrik“ (125x160cm Öl auf Leinwand 2016) den Blick immer wieder in neue Richtungen zu lenken versuchen, schaut man immer wieder in große Frauenaugen, es scheint um das Weibliche im übergeordneten, fast mystischen Sinne zu gehen, die Frau als ein einfaches, vertrautes und unnahbares, unbegreifliches Wesen in einem. Mal ist sie ganz nah, spielt mit dem Kind oder lächelt unbeschwert, mal ist sie stolz wie eine Königin oder blickt entrückt in unendliche Weiten. Wer ist die rätselhafte Gestalt, die im Schatten bleibt?Wollen die Wissenschaftler und Psychologen das Wesen der Frau mit ihren Tests erklären oder kann man es besser in einer Kristallkugel erblicken?
Alle Motive in den fotosynthetischen Gemälden sind konkret, klar zu erkennen, doch sucht der Betrachter oft vergeblich nach einem gemeinsamen Thema, die Themen greifen ineinander, es ist wie im Leben alles miteinander verknüpft, nichts existiert rein für sich selbst. Michael Münch sieht seine Gemälde als Botschaften und fiktive Nachrichten, viele davon berühren solch ernsthafte Themen wie Politik, Wissenschaft, Ökologie oder Religion. Manchmal kann man sie als visionär bezeichnen – so entstand die Idee für „Ölhahn“ (100x120cm Öl auf Leinwand 2016) vor dem Machtwechsel in den USA und der Flüchtlingskrise in Europa. Dieses Bild könnte Verunsicherung zum Ausdruck bringen, die man empfindet, wenn man an die Welt mit den Glaubens- und Wirtschaftskriegen denkt. Man könnte über die zu Neige gehenden Ressourcen nachdenken und diejenige, die darüber bestimmen, oder auch über Menschen in zivilisierten Ländern, die ihren Luxus auf Kosten der Zukunft ausleben und die Flüchtlinge, die für einen Traum vom besseren Leben alles riskieren.
In „Reisefieber“ (120x140cm Öl auf Leinwand 2012) könnte man verschiedene Reisen sehen. Die Urlauber fahren über die Autobahn, um dann durch eine Stadt voller Sehenswürdigkeiten zu flanieren oder sich davor fotografieren zu lassen. Die Kinder sind startklar, um sich erwartungsvoll in das Abenteuer des Lebens zu stürzen. In ein Buch vertieft, verreist man in andere Welten, vielleicht auch bis zum Mond. Und ist der Steinzeitmensch nach einer Zeitreise in die moderne Welt geraten oder ist es ein Zeitgenosse, der mit der Zivilisation nicht fertig wird und sich wie ein Fremder vorkommt, der über das alles nur staunt?
Aber wie auch immer jeder Einzelne die Bilder sehen und verstehen mag, sie sind keine bewusst gesetzten Symbole, sondern sie sollen durch freie Assoziation überraschen, frei von Zensur der Vernunft eine bis dahin unbekannte Botschaft übermitteln, dem Betrachter das zweckfreie Spiel des Denkens ermöglichen.
Nadeshda Münch
2019